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Upgrade | 15.02.2023

Tourismusimpulse: VR & Metaverse

Christoph Sitar und Bernhard Fercher über die Möglichkeiten von Virtual Reality und Co im Tourismus.

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Foto: Canva

#(Be)greifen | Christoph Sitar

Mediasquad

Christoph Sitar ist Geschäftsführer von MediaSquad, einem Virtual und Augmented-Reality-Studio mit Sitz in Innsbruck. www.msq.at

Inwiefern kann es gelingen, sinnliche Erlebnisse in den virtuellen Raum zu holen?

Man muss ganz klar medienspezifisch für virtuelle Realitäten (VR) designen. Es reicht nicht, ein bestehendes Video zu nehmen und einfach in die Brille zu transferieren, sondern man muss die  Möglichkeiten von VR auch wirklich nutzen und eine Stimulation der verschiedenen Sinne anstreben. Wir wollen hören, sehen und (be)greifen. Die Stärke von VR sind viele kurze Interaktionen, die von User:innen selbst ausgeführt werden können. Wenn ich drei Minuten lang eine Geschichte erzähle, hört mein Gegenüber passiv zu. Die gleiche Geschichte lässt sich in ein sinnliches Erlebnis verwandeln, wenn man sich aktiv darin bewegen und beispielsweise Objekte verändern kann – und dadurch selbst ein Teil davon wird. Natürlich geht es auch darum, Designkonzepte im Sinne der Usability umzusetzen und so für alle zugänglich zu machen. VR ist sehr gut für Spielerisches geeignet, damit lässt sich schließlich auch Engagement erzeugen – zum Beispiel, indem man manche Inhalte erst freischalten muss. Wenn es geht, sollte man auch einen sozialen Aspekt einbeziehen. Spannend finde ich etwa das Konzept von Escape Rooms, wo man gemeinsam mit anderen etwas erlebt. Ein reines 360-Grad-Panorama vom Großglockner wird keinen kommerziellen Erfolg haben. Aber wenn man sich gemeinsam im virtuellen Raum trifft und erst an verschiedenen Abschnitten kurze Rätsel lösen muss, um den Gipfel zu erreichen, haben wir ein ganz anderes sinnliches Erlebnis. In VR geht es nicht darum, die echte Welt abzubilden, sondern eine mediengerechte Best-of-Welt zu kreieren, die einen Mehrwert enthält und nur durch diese Brille erlebt werden kann.

Welche Bereiche werden auch künftig im analogen Raum verankert bleiben?

Alles, was mit viel Bewegung und echtem Adrenalin zu tun hat, kann und wird analog bleiben – also Downhillen, Klettern, Wandern und Co. Das wäre im VR schon allein aufgrund der Motion Sickness schwierig. Aber auch Erlebnisse, bei denen alle fünf Sinne stimuliert werden – etwa der Wind im Gesicht, die Gerüche des Waldes und das knirschende Laub unter den Füßen, sind für VR nicht geeignet. Ebenso Wellnesserlebnisse, zwischenmenschliche Begegnungen, Schuhplattler-Abende – das alles kann zwar virtuell angeteasert werden, aber das Echte wird dadurch nicht ersetzt.

Welche Risiken birgt der Einsatz von Metaverse und Co?

Ein Risiko sehe ich darin, dass man virtuelle Welten nicht mediengerecht designt. Wenn man sich mit den Möglichkeiten des Mediums – und auch Aspekten wie Usability Design – nicht ausreichend beschäftigt, kann das Ergebnis nicht so gut sein. Aber auch die Monetarisierungsoptionen kennen wir noch nicht genau. Einerseits gibt es viele tolle Ideen, andererseits sollte das Angebot kostenlos und auf dem Computer nutzbar sein, gleichzeitig haben noch nicht viele Menschen eine VR-Brille und auch keine Erfahrung. Viele kennen VR auch nur vom Jahrmarkt oder ähnlichem und sind daher skeptisch. Ich denke, der Massenmarkt wird erst noch kommen.

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Foto: Canva

#Experience | Bernhard Fercher

Ready Player Me

Bernhard Fercher ist seit 2016 im Bereich Virtual Reality, Co-Founder von Innerspace und Produktmanager bei „Ready Player Me“. www.bernhardfercher.com

Inwiefern kann es gelingen, sinnliche Erlebnisse in den virtuellen Raum zu holen?

Rein technologisch können wir das schon lange. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich in meiner Jugend – vor 20 Jahren – stundenlang in die Welt von Counter Strike oder Age of Empires abgetaucht bin und jeglichen Bezug zu Raum und Zeit komplett verloren habe. Erst als abends das Internet gekappt wurde (zu meinem Besseren), habe ich wieder realisiert, wer und wo ich war. Neue Technologien wie Virtual Reality bringen zusätzlich die räumlichen Dimensionen hinzu, sodass in guten „Experiences“ auch rasch der Effekt der virtuellen Präsenz eintritt: Also dass man tatsächlich glaubt, an einem anderen Ort zu sein – obwohl man eigentlich weiß, dass man nicht dort ist. Was da im Kopf passiert, ist schon sehr beeindruckend. Es ist auch schwer zu beschreiben. Das muss jede:r selbst ausprobieren.

Welche Bereiche werden auch künftig im analogen Raum verankert bleiben?

Wir Menschen sind soziale Wesen – wir brauchen einander in einer physischen Welt. Und obwohl wir seit Jahren tendenziell immer mehr Zeit in virtuellen Welten und online verbringen, ist es für mich derzeit nicht greifbar, wie wir ein Dinner mit der Freundin bei Kerzenschein und einem guten Glas Rotwein virtualisieren können oder wollen. Als stereotypischer Tiroler liebe ich natürlich auch das Abenteuer. Den Weg ins Ungewisse und ohne Sicherheitsnetz. Für mich heißt das: Reisen, Bergsport, Paragleiten, in der Natur sein. Das ist für mich eine tiefere Ebene des Erlebnisses – ohne, dass ich dafür jetzt eine gute Erklärung parat hätte. Dennoch glaube ich, dass die virtuellen, interoperablen Welten einfach gewaltige neue Möglichkeiten eröffnen. Als Wirtschaftssystem, aber auch für jede:n Einzelne:n von uns – parallel zur „realen Realität“.

Welche Risiken birgt der Einsatz von Metaverse und Co?

Das Metaverse steckt in den Kinderschuhen. Technologisch ist es ein logischer nächster Schritt, aber wir wissen nicht, wie es in zehn Jahren aussehen wird. Das ist ungefähr so wie im Jahr 1995, als das Internet groß geworden ist. Niemand konnte damals ahnen, wie stark unser Leben davon beeinflusst werden würde. Während die großen Tech-Firmen und die kleinen Start-ups neue Innovation schaffen, müssen wir gleichzeitig die potenziellen Konsequenzen des technologischen Fortschritts unter Kontrolle haben: Cyberbullying und die damit verbundenden mentalen Krankheiten, Privatsphäre und Datenschutz – die Liste ist lang. Wir müssen eine Balance zwischen sozialem Wohlbefinden und den wirtschaftlichen Anreizen finden. Der einzige Weg, dass wir uns der Technologie nicht ausliefern, sondern sie als Gesellschaft nutzen, ist, dass wir uns damit beschäftigen. Wir wissen, dass wir vor einer Veränderung stehen. Deshalb ist es wichtig, dass wir das Wissen, die Gefahren, aber auch die Möglichkeiten verbreiten. Nur wenn wir informiert sind, können wir die Welt, in der wir leben, positiv beeinflussen. Ich freue mich umso mehr, dass dieses Thema hier aufgegriffen wird.

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Foto: Canva