Upgrade | 14.11.2022
Auf Erfolgskurs bleiben
In der Businesswelt zeigt sich ein Kurswechsel: Der Fachkräftemangel, die Corona-Pandemie und neue Anforderungen der Generation Z stellen viele Unternehmen vor Herausforderungen. Der Wettbewerb um die besten Talente ist groß, und schon lange suchen sich nicht mehr Unternehmen ihre Angestellten aus, sondern vielmehr umgekehrt. Um potenzielle Bewerber:innen zu erreichen, von sich zu überzeugen und auf Erfolgskurs zu bleiben, müssen sich Firmen also einiges einfallen lassen. Hier kommt Employer Branding ins Spiel.
Die richtige Strategie
Employer Branding lässt sich in „Arbeitgeber:innenmarkenbildung“ übersetzen und beschreibt die Maßnahmen, die ein Unternehmen ergreifen kann, um die eigene Marke zu stärken und sich gegenüber potenziellen Bewerber:innen als attraktiver Arbeitgeber zu zeigen. Im Interview erklärt uns Sebastian Wesserle, Geschäftsführer der Recruiting- Firma ANGEHEUERT GmbH, warum es für Unternehmen so wichtig ist, eine effektive Employer-Branding- Strategie zu verfolgen, und wieso es sich lohnt, dabei zuerst auf die bestehenden Mitarbeiter:innen zu schauen.
TIROLERIN: Weshalb ist Employer Branding ein wichtiger Faktor fürs Recruiting?
Sebastian Wesserle: Laut des LinkedIn Employer Branding Reports 2021 informieren sich 75 Prozent der Jobsuchenden vor einer Bewerbung über die Arbeitgeber:innenmarke. Man kann mithilfe von Talentpools, Karrierenetzwerken und der Schaltung von Werbung so fleißig nach Mitarbeiter:innen suchen, wie man will – wenn die Firma nicht als attraktive Arbeitgeberin mit schlüssigem Auftritt wahrgenommen wird, werden sich potenzielle Arbeitnehmer:innen erst gar nicht bewerben. Eine attraktive Marke steuert dem entgegen.
Für wen eignet sich Employer Branding?
Meiner Meinung nach ist es vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) wichtig. Heutzutage wollen viele Menschen entweder in „coolen und hippen“ Start-ups arbeiten oder in großen, bekannten Firmen, die viel Stabilität bieten. Deswegen ist das Employer Branding für KMU noch einmal wichtiger.
Wie gelingt es Ihrer Meinung nach, eine sinnvolle Employer-Branding-Strategie aufzubauen?
Bevor Prozesse verändert werden, muss man den aktuellen Ist-Zustand des Unternehmens kennen. Weil, und das ist das Wichtigste, jedes Unternehmen in der Regel schon eine Unternehmenskultur und bestimmte Werte hat, die vertreten werden – auch wenn das dem Management so nicht bekannt ist. Der erste Schritt ist also eine Analyse der momentanen Arbeitgebermarke. Darunter fallen Gespräche mit Entscheidungsträger:innen, die Analyse der Recruitingprozesse, der Zielsetzung, Werte sowie Vision und natürlich die Mitarbeiter:innenbefragung, die die Ist-Wahrnehmung dieser erfasst. So misst man den momentanen Unternehmenspuls und findet heraus, wie die Firma aus Sicht der Mitarbeiter:innen und potenziellen Bewerber:innen wahrgenommen wird. Da gibt es natürlich etliche relevante Faktoren des externen und internen Employer Brandings, die man untersuchen kann. Aus den Ergebnissen kann man dann bestimmte Maßnahmen ableiten.
„Die Bildung einer erfolgreichen Firmenmarke muss aus dem Kern des Unternehmens entstehen.“
-Sebastian Wesserle, Geschäftsführer ANGEHEUERT GmbH
Welche Fehler werden beim Thema Employer Branding oft gemacht?
Das Herz eines jeden Unternehmens bilden die Mitarbeiter:innen, das darf nicht vergessen werden. Somit muss die Bildung einer erfolgreichen Firmenmarke aus dem Kern des Unternehmens entstehen. Eine authentische Positionierung mit Werten, die nach außen verkörpert und nach innen gelebt werden, ist ein Prozess, in den alle bestehenden Mitarbeiter:innen miteinbezogen werden müssen.
Immer mehr Menschen hinterfragen das Warum des eigenen Arbeitsplatzes. Würden Sie den „Purpose“ eher als Weiterentwicklung oder als Alternative zu Employer Branding sehen?
Das Warum des eigenen Arbeitsplatzes sollte sich im besten Fall mit der Arbeitgeber:innenpositionierung eines Unternehmens abgleichen. Ganze 96 Prozent der Arbeitnehmer:innen sagen laut randstad Employer Brand Report 2019 für Österreich, dass die Übereinstimmung eigener Werte mit den Unternehmenswerten maßgeblich ihre Arbeitszufriedenheit beeinflusst. Das heißt, es ist extrem wichtig, dass sich die Arbeitnehmer:innen mit dem „Warum“ sowie den Werten des Unternehmens identifizieren können. Und auch klar ist, wie ihre täglichen Arbeitsaufgaben mit der langfristigen Vision zusammenhängen.
Hat die Corona-Pandemie die Bedeutung von Employer Branding verändert?
Ich würde sagen, dass durch die Corona- Pandemie und die damit verbundene Zunahme von Homeoffice die Unternehmenspositionierung noch wichtiger geworden ist. Das Vorhin angesprochene Warum des eigenen Arbeitsplatzes und das Gemeinschaftsgefühl aufrechtzuerhalten, ist eine große Herausforderung, wenn die menschliche Offline-Interaktion wegfällt. Wie und ob man Mitarbeitende mit großem Homeoffice-Anteil langfristig halten kann, kommt in großem Maße auf die Führungskräfte an und ob Strategien vorhanden sind, die Unternehmensbindung auch online zu fördern.
Bei der Generation Z steht bei der Arbeitssuche vor allem der Sinn und die Selbstverwirklichung im Vordergrund. Wie schaffen es Unternehmen, Mitarbeiter:innen dieser Generation erfolgreich zu binden?
Vor allem eine starke digitale Präsenz bei Google, Kununu und sozialen Netzwerken wie LinkedIn und Meta ist wichtig. Je nach Zielgruppe gibt es Plattformen, die wichtiger sind. Gleichzeitig sollten die Unternehmenswerte sowie die Vision der Firma in Vorstellungsgesprächen klar kommuniziert werden. Als Arbeitgeber: in ist es dabei vor allem wichtig, direkt Perspektiven zu geben, wie sich potenzielle Mitarbeiter:innen langfristig im Unternehmen entwickeln können. Obwohl Arbeitnehmer:innen bei dem aktuellen Fachkräftemangel klar eine gute Verhandlungsposition haben, müssen Unternehmen nicht bei allen Wünschen mitgehen. Es ist immens wichtig, bei Neuanstellungen interne Gehaltsgefüge, Strukturen und Regelungen im Auge zu behalten, damit auch die Zufriedenheit aktueller Mitarbeiter:innen gewährleistet bleibt. Das Besetzen von freien Stellen ist die eine Sache, das Halten von gutem Personal jedoch eine andere.
Was tut ANGEHEUERT, um Mitarbeitende zu halten?
Unsere Crew umfasst momentan 16 Mitarbeiter:innen, und aus meiner Sicht ist es am wichtigsten zu verstehen, was diese individuell motiviert und antreibt. Abgeleitet von den Präferenzen und Werten unseres Teams bilden vor allem folgende Maßnahmen den Kern von ANGEHEUERT: offene Kommunikation, Selbstbestimmung und Partizipation wie monatliche Mitarbeiter:innengespräche, regelmäßige Prozessmeetings, um Ideen der Mitarbeiter: innen zu evaluieren und bestehende Arbeitsabläufe zu diskutieren, der Einbezug aller bei Entscheidungen, die den Ausbau von neuen Geschäftsbereichen und die Firmenpolitik betreffen, freie Arbeitsplatzgestaltung und Freiraum bei der Arbeitsausführung.
Welche Employer-Branding-Trends werden zukünftig immer wichtiger?
Employer Branding gibt es ja nicht erst seit Kurzem. Früher hat es sich durch persönliche Kontakte herumgesprochen, welches Unternehmen ein guter Arbeitgeber ist und welches nicht. Durch das Internet und die zunehmenden Plattformen wie Bewertungsportale geht dies heutzutage um einiges schneller. Ich glaube deswegen, dass die Wichtigkeit einer digitalen Präsenz und einer authentischen Unternehmensmarke, die extern kommuniziert und intern gelebt wird, auch weiterhin stabil wachsen wird. Digitale Präsenz ist, wenn wir von Trends sprechen, das wichtigste Schlagwort.