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Upgrade | 09.08.2022

Tourismusimpulse: Gastroküche

Qualität, Frische & Leidenschaft sind das Geheimnis einer guten Gastroküche.

#Handschrift

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Patrick Pranger ist Vertriebsleiter von Wedl, einem der größten privaten Lebensmittelhändler Österreichs.

Welche Faktoren zeichnen für Sie eine gute Küche aus?
Eine gute Küche hat immer unweigerlich mit Produktqualität und Frische zu tun. Natürlich ist das Verständnis für die richtige Anwendung der Produkte ebenso wichtig wie das technische Verständnis um die Abläufe in der Küche. Hier haben gerade in den letzten fünf Jahren auch in Tiroler Küchen viele neue Entwicklungen Einzug gehalten. Am Ende des Tages bleibt aber nur ein einziger Faktor bestehen, der alles bestimmt: der Mensch, der kocht. In einer guten Küche sieht man dessen Handschrift auf jedem Teller.

Wie wichtig ist das Verständnis für Saisonalität und Marktnähe bei der Lebensmittelauswahl?
In den letzten Jahren wurde immens viel Geld in das Marketing für diese Themen gepumpt. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass momentan so gut wie nichts regional verwertet wird und das dringend etwas geändert werden muss. Vielen Gastronom:innen und Hotelier:innen hat man mit diesem Bild auch Unrecht getan, da schon vor dieser Trendbewegung sehr wohl viel Regionalität in den Küchen vorhanden war. Jedenfalls sind mir nicht viele eingesessene Tiroler Betriebe bekannt, an denen dieses Thema komplett vorbeigegangen wäre. Profitieren kann man nun aber von dem gesteigerten Verständnis für Saisonalität. Ein Umdenken in Richtung saisonale Küche findet längst auch beim Gast statt. Und das ist eine gute Entwicklung.

Wie gelingt die konstruktive Zusammenarbeit zwischen Gastronom:innen, Produzent:innen und Lieferant:innen?
Der:die Gastronom:in ist der Profi, der die Gäste bedient. Er:sie bewirkt mit seinem:ihrem Tun letztlich den Bedarf, den wir dann als Lieferant:innen indirekt decken dürfen. Hier muss man zuhören können und stets für Weiterentwicklungen offen sein. Hin und wieder begegnet mir die Frage, wie es uns gelungen ist, unsere Sortimente und Verfügbarkeiten so stark auszubauen. Die Antwort darauf ist einfach: Wir haben den direkten Austausch mit unseren Partner:innen in Hotellerie und Gastronomie nie gescheut. Kritik aus der Branche haben wir stets als konstruktive Anleitung zur eigenen Verbesserung wahrgenommen. Im Nachhinein muss ich mich dafür bei Küchenchef:innen und Einkäufer:innen herzlich bedanken, die uns regelmäßig Feedback geben – denn auf diese Weise habe ich für mich selbst beruflich das meiste gelernt. Diesen Weg wollen wir im Familienunternehmen Wedl auch so beibehalten.

Welche Herausforderungen erwartet die regionale alpine Küche in den kommenden Jahren?
Es gilt, die Begeisterung bei Gästen und itarbeiter:innen gleichermaßen aufrechtzuerhalten – wenn man so will, auch wiederherzustellen. Wie nahezu alles im Leben wird auch eine Übernachtung oder ein Abendessen teurer. Man wird zwar künftig weniger oft ins Restaurant gehen, dafür aber noch mehr auf den Faktor Qualität achten. Damit meine ich nicht nur das Essen oder den Wein, sondern auch das freundliche Gesicht im Service: Ohne positive Emotion kommt weder das eine noch das andere beim Gast an.

 


#Klare Linie

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Michael Klemenc ist Geschäftsführer des Restaurants Kunstpause sowie Unternehmensberater für Gastronomie.

Welche Faktoren zeichnen für Sie eine gute Küche aus?
Für mich bedeutet gute Küche, dass ich Leidenschaft zum Kochen und Liebe zu den Produkten schmecken kann. Meiner Meinung nach sollte jedes Gericht Charakter haben – und wie es bei Charakteren oft ist, sollten sie unterschiedlich sein. Sehr bedenklich ist es, wenn die Teller bei verschiedenen Lokalen gleich aussehen, gleich schmecken und eine Art „Durchschnittsmenge für die Sinne“ entsteht. Der Restaurantbesuch soll etwas Einzigartiges, Aufregendes sein, eben ein besonderes
Erlebnis und mehr als nur Alltagsbeiwerk mit dem Ziel der Sattwerdung. Außerdem zeichnet sich gute Küche durch saisonale Produkte und eine klar erkennbare Linie aus. Das alles sind für mich die Grundbausteine für ein gelungenes kulinarisches Angebot.

Wie wichtig ist das Verständnis für Saisonalität und Marktnähe bei der Lebensmittelauswahl?
Saisonalität und Regionalität sind für mich essenziell. Im Zuge meiner Beratungstätigkeit stelle ich immer wieder fest, dass saisonale, heimische Produkte die meiste Resonanz finden – sowohl bei den Gastronom:innen als auch bei den Gästen. Wert auf eben diese Faktoren zu legen, scheint absolut im Trend zu liegen und lässt mich hohen, dass wir in Sachen Produktverständnis und -wertschätzung auf dem richtigen Weg sind. Natürlich sollte man sich auch hin und wieder ein Thunfischtartar mit Avocado gönnen dürfen, aber es sollte einem dabei auch bewusst sein, dass man dadurch weder heimische Produzent:innen noch die eigene Landwirtschaft unterstützt. Über den CO2-Fußabdruck möchte ich gar nicht sprechen. Wie gesagt – es spricht nichts gegen den gelegentlichen Genuss solcher „kleiner Sünden“, solange man es nicht unbedacht tut. Die viel diskutierte Herkunftskennzeichnung könnte meiner Meinung nach einen Wandel herbeiführen, indem sie für das nötige Bewusstsein sorgt und Sensibilisierung schafft. Vielleicht entscheiden sich Gäste dann doch eher für das Tatar vom Ötztaler Saibling mit Erbsenguacamole.

Wie gelingt die konstruktive Zusammenarbeit zwischen Gastronom:innen, Lieferant:innen und Produzent:innen?
Ich glaube, die Grundzutaten für ein gelungenes Miteinander sind Wertschätzung, gegenseitiges Vertrauen und Fairness – wie in eigentlich allen Geschäftsbeziehungen. Aus meiner Erfahrung kann ich allerdings sagen, dass das in den seltensten Fällen gar nicht funktioniert.

Welche Herausforderungen erwartet die regionale alpine Küche in den kommenden Jahren?
Die besten heimischen Produkte und Ideen nützen uns nichts, wenn es niemanden gibt, der sie auf die Teller zaubert. Wir durchleben in der Gastronomie allgemein einen Mangel an Arbeitskräften mit Kochkompetenz und müssen es uns zur Aufgabe machen, enschen wieder für diese Arbeit zu begeistern und Anreize zu schaffen. Der monetäre Aspekt ist das eine, die viel gelobte „Work-Life- Balance“, welche die junge Generation quasi mit der Muttermilch aufgenommen hat, das andere. Diese in der Tourismuswirtschaft zu integrieren, müssen und werden wir schaffen. Sonst werden romantische Dates auswärts, große Familienfeiern und alles, was uns den Alltag gastronomisch-kulinarisch veredelt, die Ausnahme werden. Das gilt in der alpinen Küche leider genauso wie überall sonst.


#Saisonalität

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Alexander Rainer ist Geschäftsführer der Tiroler Schnapsbrennerei Rochelt mit Sitz in Fritzens.

Welche Faktoren zeichnen für Sie eine gute Küche aus?
Wie beim Schnapsbrennen gilt auch in der Küche: Ein möglichst gutes Rohprodukt ist das erste Gebot der Qualität. Die persönliche Handschrift des Kochs oder der Köchin macht den Rest. Talent, eine fundierte Ausund Weiterbildung, die Freude am Beruf und nicht zuletzt der bewusste und möglichst schonende Umgang mit den Rohstoffen sind dabei für mich am Wichtigsten. Das gilt übrigens für die traditionelle – leider jedoch oftmals unterschätzte – Hausmannskost gleichermaßen wie für die Spitzengastronomie.

Wie wichtig ist das Verständnis für Saisonalität und Marktnähe bei der Lebensmittelauswahl?
Mit der Industrialisierung und Globalisierung der Lebensmittelbranche haben wir uns immer weiter vom natürlichen Zyklus der Natur entfernt. Jede Saison zeigt uns, was sie kann – wenn man sie nur lässt. Bei Rochelt arbeiten wir streng im Sinne der Saisonalität und ernten unsere Früchte aus den besten Anbauregionen zum Zeitpunkt der perfekten Reife: Die Marillen aus der Wachau im Juli, die Gravensteiner Äpfel aus der Steiermark im August, die Quitten aus Oberösterreich im Oktober. Nur so kann man eine hohe Qualität sicherstellen. In einer guten Küche ist es ganz ähnlich.

Wie gelingt die konstruktive Zusammenarbeit zwischen Gastronom:innen, Produzent:innen und Lieferant:innen?
Wenn immer mehr Menschen verstehen, dass wir in Tirol eigentlich ein kleines Kulinarikparadies vor der Haustüre haben, wird die Nachfrage nach regionalen Produkten auch weiter steigen. Wir halten beispielsweise zwei Schweine auf einem Bergbauernhof in der Wattener Lizum, machen unseren eigenen Speck, kaufen Bergkäse direkt von der Alm und die Eier vom Bauernhof im Nachbardorf. Aber wenn man bewusst darauf achtet, finden Konsument:innen solche regionalen Produkte immer öfter auch im Supermarkt. In gastronomischen Betrieben kann man beispielsweise mit Herkunftsangaben der verarbeiteten Lebensmittel auf der Speisekarte für regionale Qualität werben. Die bewusste Bevorzugung von heimischen Produzent:innen sollte sowohl im Einzelhandel als auch im Gastronomiegroßhandel weiter vorangetrieben werden.

Welche Herausforderungen erwartet die regionale alpine Küche in den kommenden Jahren?
Ich denke, eine große Herausforderung wird darin liegen, dass der Druck global gehandelter Lebensmittel auf die heimischen Produzent:innen auch in den kommenden Jahren wohl nicht abnehmen wird. Andererseits steigt das Bewusstsein für regionale und damit saisonale Produkte in unserer Gesellschaft immer mehr an – und das wiederum birgt Chancen für unsere heimische Landwirtschaft sowie Gastronomiebetriebe. Daneben gibt es jedoch eine noch größere Herausforderung der kommenden Jahre: junge Menschen wieder dafür zu begeistern, in der Gastronomie Karriere zu machen. Denn ohne Nachwuchs gibt es keine Perspektive.

 

© Fotos: Wedl, Susanne Sigl, Ingo Pertramer für Brennerei Rochelt, Shutterstock