Upgrade | 18.02.2022
Schon mal was von „Blended Learning“ gehört?
Die Corona-Pandemie stellte viele Strukturen fast über Nacht auf den Kopf. Auch das Lernen und Lehren musste neu gedacht werden. Neben der Umstellung auf Online-Lehre etablierte sich in der vergangenen Zeit das Konzept des Blended Learning. Was es damit genau auf sich hat und wie man die Vorteile des Blended Learning am besten umsetzen kann, erklären uns die Experten Mario Situm, Professor an der FH Kufstein, sowie Stefan Märk und Roald Steiner, Professoren an der FH Salzburg.
TIROLERIN: Was lässt sich genau unter Blended Learning verstehen?
Mario Situm: E-Learning ist eine Lehr- und Lernmethode, welche das Konzept des Lernens fördert und dabei durch Informations- und Kommunikationstechnologien unterstützt wird. Um bestimmte Schwächen des E-Learning zum Teil zu eliminieren, kann Blended Learning als Erweiterung angesehen werden, da die Vorteile des E-Learning mit den Vorteilen von Präsenzveranstaltungen kombiniert werden. Lernende erhalten online oder offline bereitgestellte Lernmaterialien zum eigenständigen Studieren und kommen dann in Präsenzphasen, um die Inhalte zu vertiefen und anzuwenden.
Die Corona-Pandemie stellte viele Lernstrukturen auf den Kopf. Wie hat sich der Bedarf hinsichtlich Ausbildungen und Lernen verändert?
Stefan Märk: Die technischen Möglichkeiten der Distance-Learning-Welt mussten gelernt und professionalisiert werden. Wie ist es, einen Tag lang vor einem Laptop zu sitzen und bespielt zu werden oder andere bespielen zu müssen? All das hat uns Lehrende gezwungen zu lernen, und vielleicht war das auch insgeheim der Wegbereiter für ein Umdenken. Blended Learning hat auf jeden Fall ein enormes Potenzial, um im Lernsektor eine Tür aufzustoßen und Geschichte zu schreiben.
Welche Vorteile ergeben sich durch Blended Learning?
Mario Situm: Für Lehrende ist die erstmalige Aufsetzung aufwändig, weil es eine gute Planung braucht, um ein vernünftiges didaktisches Konzept aufzusetzen. Es ermöglicht jedoch dann viele Vorteile. So kann der aufgesetzte Kurs „kopiert“ und wieder verwendet werden. Gerade für die praxisorientierte Aus- und Weiterbildungen kann im Vorfeld eine Online-Phase eingesetzt werden, in welcher sich Lernende ein Grundlagen- wissen aneignen, das in einer nachgelagerten Präsenzphase angewandt wird. Zudem ist es für Lernende abwechslungsreich, da nicht einfach ein Frontalunterricht mit Vortrag erfolgt. Wir haben hier bereits mehrere Jahre an Erfahrung gesammelt und sehen in dieser Art der Wissensvermittlung jene, welche sich in Zukunft vollständig durchsetzen wird.
Wie nehmen die Nutzer:innen diese Art des Lernens Ihrer Erfahrung nach auf?
Stefan Märk: Es muss eine Bereitschaft da sein, Wissen zu generieren und nicht nur Wissen „übergestülpt“ zu be- kommen. Bei dieser Lernform setzt man sich nicht in die Klasse und bekommt genau Anweisungen von Tätigkeiten, die man zu tun hat. Die Lehrenden wissen sehr wohl jede Session strategisch und gezielt einzusetzen und haben die gesamte Lehrveranstaltung durchgeplant. Somit liegt der Ball auch bei den Studierenden. Reine Wissenskonsument:innen fühlen sich womöglich in diesem Lernansatz nicht wohl.
Worauf sollte man als lehrende Person achten, wenn man ein Blended-Learning-Konzept erstellt?
Stefan Märk: Blended Learning erweckt Erwartungen, die eingehalten werden müssen. Interaktion, Feedbackschleifen, strategisches Denken und strategische Lernplanung sind mit Aufwand verbunden. Aber es ist was Neues und am Anfang verfügt jedes Erneuern über ein hohes Maß an „Anlaufkosten“.
Mario Situm: Um ein Konzept bei dem Einsatz von Blended Learning umzusetzen, müssen sich Lehrende Gedanken über Struktur, Form der Wissensvermittlung machen und somit auch einen Blended-Learning-Kurs klar aufsetzen. Im Allgemeinen bauen verschiedene Elemente aufeinander auf, sodass eine effiziente Wissensaufnahme ermöglicht wird. Der:die Lernende erhält die Wissensvermittlung auch online, wobei hier neben der Bereitstellung von Literatur auch mit Videos, Podcasts oder Quiz gearbeitet werden kann.
Gibt es typische Fehler, die man beim Blended Learning vermeiden sollte?
Mario Situm: Grundsätzlich sollte man als Lehrende:r bei der Umsetzung offen sein, selbst Neues zu lernen. Ein erster Stolperstein kann vorliegen, wenn man frühere Formen der Wissensvermittlung – wie der Frontalvortrag, ohne Einbezug von Lernenden – einfach weiterführt und nur auf Online-Informations- und Kommunikationstechnologien umstellt. Das ist kein Blended Learning, denn hier hat man didaktisch nichts verändert – ganz im Gegenteil, durch die gleiche Lernform und den Einsatz von Online-Kommunikationstechnologie verliert man Lernende viel schneller. Man muss demnach ein paar Veränderungen im eigenen didaktischen Stil zulassen, damit Blended Learning richtig eingesetzt werden kann.
Wie sieht die Zukunft der Weiterbildung aus?
Stefan Märk: Firmen machen sich immer mehr Gedanken, das Wissen der Mitarbeiter:innen weiter zu heben und für sich arbeiten zu lassen. Homeoffice wird vermutlich nicht verschwinden. Der elektronische Arbeitsplatz wird sich weiterentwickeln, somit muss sich auch der Lern- sowie Lehrsektor ebenfalls an- passen. So eine Lehrveranstaltung muss strategisch geplant werden und das Ziel von Anfang an bekannt sein. Sind diese Eckpfeiler einmal eingerahmt, kann man innerhalb der einzelnen Schritte enorm kreativ werden und das volle Potenzial nutzen.
Über
FH-Prof. Dr. Dr. Mario Situm, MBA, ist Professor und Studiengangsleiter an der Fachhochschule Kufstein und verantwortet dort den Bachelorstudiengang Unternehmensführung und den Masterstudiengang Unternehmensrestrukturierung & -sanierung/Corporate Transformation Management.
FH-Prof. Dr. Stefan Märk ist wissenschaftlicher Leiter des Studiengangs KMU-Management & Entrepreneurship an der FH Salzburg. Der Studiengang basiert zu 100 Prozent auf einem Blended-Learning-Konzept.
„Bei der im pandemiebedingten Notbetrieb vermehrt genutzten digitalen Formate kommt es darauf an, wer was wann und wie mit digitalen Elementen in der Lehre macht. Das gilt auch für das Blended Learning. Gleichzeitig zeigt der Corona-Notbetrieb an den Hochschulen deutlich: Unverzichtbar für gelingende Bildungsprozesse bleibt das Gespräch unter Anwesen- den, das Ausprobieren im Hörsaal, der persönliche Austausch mit Lehrenden und Lernenden. Kurzum, Studienerfolge brauchen Präsenz.“ FH-Prof. Dipl-Volksw. Dipl-Soz. oec. Dr. Roald Steiner, FH-Vizerektor und Rektorat der FH Salzburg