Sanfter Tourismus im Ötztal

Das Bergsteigerdorf Vent stellt sich vor

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Die Natur in vollen Zügen genießen und sich dabei ganz mit ihr im Einklang fühlen – Sanfter Tourismus liegt im Trend. Im Bergsteigerdorf Vent wird die Harmonie zwischen Mensch und Natur großgeschrieben. Hier wird der Aktivurlaub zu einem nachhaltigen Erlebnis.

Das Ötztal zählt zu den beliebtesten Reiseregionen Tirols. Das malerische Seitental des Inntals besticht durch malerische Landschaften und eine große Urlaubsvielfalt. Hier schöpft der Tourismus aus den Vollen: Luxuriöse Hotel Resorts vor atemberaubender Kulisse, Ski- und Wintersportgebiete der Extraklasse und Attraktionen, die den Aktivurlaub zum unvergesslichen Erlebnis machen.

Doch das Ötztal hat auch andere Seiten. In den letzten Jahren gewinnt der sanfte Tourismus in der Region immer stärker an Bedeutung. Auszeiten inmitten von unberührter Natur, wirklich ankommen und zu sich selbst finden, Ruhe und Kraft tanken und sich von der außergewöhnlichen Schönheit der Bergwelt und der Vielfalt der einheimischen Flora und Fauna begeistern lassen, das sind die Charakteristika, die sich immer mehr Besucher von ihrem Aufenthalt wünschen. Fündig werden sie zum Beispiel in Vent. Das idyllische Bergsteigerdorf hat sich sanften Tourismus verschrieben und bietet seinen Gästen naturnahen Urlaub mit Erlebnisfaktor.

Sanfter Tourismus als Urlaubstrend

Der Begriff des sanften Tourismus ist ein noch recht junges Phänomen in einer wirtschaftlich starken Branche. Er definiert die Erkenntnis, dass Reisen meist einen beträchtlichen ökologischen Fußabdruck hinterlässt und den Wunsch, den Einfluss von Reisetätigkeiten und touristischen Angeboten auf die Natur, das Klima und die Gesellschaft so gering wie möglich zu halten. Das erfordert eine bewusst nachhaltige Herangehensweise an die vielfältigen Facetten, die den Tourismus prägen.

Der Trend geht zum sanften, nachhaltigen oder umwelt- und sozialverträglichen Tourismus. Insbesondere naturverbundene Reiseregionen integrieren den neuen Gedanken in ihr touristisches Konzept. Das Bergsteigerdorf Vent gehört zu den Destinationen, an denen sanfter Tourismus aus Überzeugung gelebt wird. Die beschauliche Ortschaft im Tiroler Ötztal hat sich bewusst gegen den Massentourismus entschieden und damit auch gegen künstlich errichtete Attraktionen und eine Infrastruktur, die auf Entertainment, Animation und Urlaubserlebnisse der Superlative ausgerichtet ist.

Um dieses Anliegen zu unterstreichen, hat sich Vent der Initiative „Bergsteigerdörfer“ angeschlossen. Seit 2008 besteht das Projekt, das es sich zum Ziel gemacht hat, eine zukunftstaugliche Alternative zum Massentourismus in den Alpen und in der gesamten Bergwelt zu schaffen. Auch Vent hat das „Memorandum of Understanding“ unterzeichnet, eine Alpenkonvention, die nachhaltigen Alpinismus in einen konkreten Rahmen fasst.

Mit dem Credo „Weniger ist mehr“ haben sich in der Initiative fast 40 Ortschaften zusammengeschlossen, um Nachhaltigkeit zu leben und der Bedeutung des Einklangs von Mensch und Natur den nötigen Stellenwert einzuräumen. In enger Zusammenarbeit mit den Alpenvereinen streben die Dörfer innerhalb der Initiative eine nachhaltige Entwicklung des Alpentourismus an. Sie verstehen sich als Alpinismuspioniere und leben ein kulturelles Selbstverständnis, das eng mit den sie umgebenden Bergen und dem Bergsteigen verknüpft sind. Vent nimmt unter den Bergsteigerdörfern eine besondere Position ein, denn seine Geschichte macht es zum deklarierten Klassiker unter den Bergsteigerdörfern.

Die Wiege des Bergsteigens steht in Vent

Was Vent zu einem Klassiker der Bergsteigerdörfer und gewissermaßen sogar zur Wiege des Bergsteigens und des Alpinismus macht, ist das Leben und Wirken eines Mannes. Franz Senn war Gletscherpfarrer und Kurat in Vent. Von 1831-1884 lebte er in dem Bergdorf und machte sich gemeinsam mit Gleichgesinnten um die Entwicklung des Alpinismus und des Bergwanderns verdient.

Ein Meilenstein für den Alpinismus war die Gründung des Alpenvereins im Jahr 1869, die Senn als Mitbegründer maßgeblich gestaltete. Gemeinsam mit anderen Akteuren des Vereins sorgte der Gletscherpfarrer dafür, dass zahlreiche sichere Wege und Steige angelegt und an wichtigen Eckpunkten Schutzhütten errichtet wurden. Es war eine Herzensangelegenheit für Senn, das Bergsteigen zu den Menschen zu bringen und eine breite Begeisterung für die Region und ihre alpinen Möglichkeiten zu wecken.

Damit legte er schon früh den Grundstein für den auch heute noch gelebten Tourismus in Venn und den umliegenden Regionen, denn Senn war bewusst, dass ein reges Interesse am Alpinismus in Vent den Menschen in den Tälern und umliegenden Dörfern ihr Auskommen erleichtern würde. Er selbst ging mit gutem Beispiel voran. Franz Senn soll zu seinen Lebzeiten so manchen Gipfel bestiegen und auch einige Dreitausender in den Ötztaler Alpen gemeistert haben.

Gepflegtes Dorfidyll

Das Dorfbild in Vent ist von Beschaulichkeit und Authentizität geprägt. An die Stelle von Luxusresorts, die das Gesicht vieler touristisch stark frequentierter Alpenregionen prägen, finden Gäste ein Hotel im wunderschönen Dorf Vent, das im Einklang mit der umgebenden Natur wirtschaftet und in dem sie während ihres Aufenthaltes wirklich zur Ruhe kommen können. Wer in Vent Quartier nimmt, hat die Auswahl aus verschiedenen Unterkünften, die zu jeder Reisekasse passen. Komfortable 4-Sterne-Hotels mit nachhaltigem Konzept sind ebenso zu finden wie gemütliche Pensionen, familiäre Gästezimmer und einfache, rustikale Unterkünfte für Bergsteiger und Wanderer.

Auch abseits touristischer Quartiere hat Vent den weit verbreiteten Drang nach Modernisierung getrost an sich vorüberziehen lassen und sich stattdessen seinen authentischen Dorfcharakter erhalten. Auf die üppigen Wiesen der malerischen Hügellandschaft schmiegen sich zahlreiche Bauernhöfe, die an der traditionellen Landwirtschaft festhalten. Von hier kommen vielfältige Produkte, die frisch vom Feld oder von der Weide in den Küchen der Hotels und Restaurants landen. Nachhaltigkeit fängt vor der Haustür an und so setzen viele Gastgeber in Vent bewusst auf regionale Produkte, die ohne lange Transportwege verfügbar sind und den regionalen Charakter der Dorfkulisse unterstreichen. Rund 2 Kilometer oberhalb des Dorfes finden Besucher nach einem gemütlichen Spaziergang die berühmten Rofenhöfe. Es handelt sich um die ältesten dauerhaft bewirtschafteten Bauernhöfe Österreichs. Die Bedingungen für die Bewirtschaftung sind hart, und doch skizzieren die Bergbauernhöfe ein Idyll, das sie zum Sehnsuchtsort für Bergwanderer werden lässt.

Auch die historische Pfarrkirche, die den Namen Jakobuskirche trägt, ist ein beliebtes Ausflugsziel für Gäste. An ihrem heutigen Standort wurde bereits im Jahr 1502 eine Kirche mit dem dazugehörigen Gottesacker geweiht. Die heutige Pfarrkirche ist im Barockstil errichtet und wurde 1862 dem heiligen Jakobus geweiht. Wer in die ehrwürdigen Mauern eintritt, spürt den Atem der Geschichte und kann ganz in Stille den historischen Hochaltar und weitere Kunst- und Kulturschätze der Pfarrkirche bewundern.

Auf den Spuren der Urgeschichte

Vent ist nicht nur ein beliebtes Reiseziel für alle geworden, die auf der Suche nach gelebtem sanftem Tourismus sind. Auch für historisch Interessierte hat das Dorf im Ötztal einen besonderen Reiz.

Nur wenige Kilometer vom Ortskern entfernt befindet sich die weltberühmte Fundstelle von „Ötzi“. Am 19. September 1991 wurde die im Eis eingeschlossene Leiche des Urzeitmannes gefunden. Vor etwa 5.000 Jahren soll es den Mann aus der Jungsteinzeit in die Berge Südtirols gezogen haben. Für die Forschung war „Ötzi“ ein Sensationsfund, denn eine genetische Analyse und die Erforschung seiner Tätowierungen ergab, dass er den bisher älteste Fund eines europäischen Jägers darstellt. Rund 5.000 Jahren nach seinem Tod stolperten deutsche Touristen zufällig in 3.200 Metern Höhe über den Mann im Eis und ergänzten die Suche nach dem Ursprung des Menschen damit um ein weiteres Puzzlestück. „Ötzi“ soll gewaltsam zu Tode gekommen sein. Er verblutete wahrscheinlich an einer Pfeilspitze in seiner Schulter und blieb im ewigen Eis zurück, um seine Geschichte zu erzählen.

Nicht ganz so spektakulär wie „Ötzi“, aber nicht minder interessant ist das urzeitliche Jägerlager, das sich auf einem 1.950 m hoch gelegenen Geländeplateaus am Übergang zwischen dem Nieder- und dem Rofental befindet. Forscher vermuten, dass das Freilandlager als Aufbruchstelle für größere Jagdgruppen diente, die von dort aus in das Gebirge vordrangen. Archäologische Funde deuten darauf hin, dass die Nutzung bereits auf 7.600 vor Christus datiert werden kann. Das Jägerlager ist damit der Nachweis für die wahrscheinlich ältesten Schritte des Menschen im Rofental.

Wo so viele spektakuläre Fundstellen menschlicher Geschichte in eine atemberaubende Naturlandschaft eingebettet sind, braucht es keine touristischen Attraktionen mehr. Seine Superlative erschafft Vent aus dem, was war und daraus, welchen tiefgreifenden Einfluss das Gewesene auch heute noch ausübt. Die Einheimischen würden sagen, dass das Dorf der ideale Ort ist, um anzukommen und aufzubrechen. Eingebettet in sanften Tourismus können Gäste erspüren, wie wenig es manchmal braucht, um doch so viel zu erschaffen.

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