Barfuß über Stamm laufen

Barfußgehen

Raus aus den Schuhen: Alles über die Benefits des Barfußgehens.

4 Min.

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Ein Plädoyer fürs Barfußgehen. Lucia Dorn ist Ärztin und Barfußexpertin. Sie sagt, wir sollten öfter im Wald mit nackten Füßen spazieren. Weil uns das – im wahrsten Sinne – erdet. Eine Reportage über die Power unserer Füße und die Benefits des Barfußgehens.

Grashalme, die zwischen den Zehen kitzeln. Moos, das sich so weich anfühlt auf der Fußsohle. Lauwarmer Sand, in dem die Füße beim Abendspaziergang am Meer versinken, während die Wellen sanft die Knöchel umspielen. Barfußgehen ist ein Lebensgefühl. Es erinnert an Freiheit und Leichtigkeit. Gedanken an unbeschwerte Momente unserer Kindheit kommen hoch, wenn wir ohne Schuhe durch die Natur laufen.

step by step

Vor allem aber tut das Barfußgehen nicht nur dem Geist gut, sondern auch unserem Körper. Medizinerin Lucia Dorn erklärt: „Würden die Menschen öfter auf das Tragen von Schuhen verzichten, hätte ich definitiv weniger Patient:innen. Durch das Schuhwerk, vor allem das falsche, verkümmert die tiefe Rückenmuskulatur, die wiederum unsere Wirbelsäule stabilisiert.“ Die Folge: Es passieren häufiger Stürze und Verletzungen. Mehr noch: „Bereits Teenager mit 14, 15 Jahren kommen schon mit Rückenschmerzen aufgrund von Fehlhaltungen in meine Praxis.“ Das alles ließe sich vermeiden, würden wir das Barfußgehen in unseren Alltag wieder mehr integrieren. Für die Vorarlberger Ärztin, die in Graz promoviert hat, steht fest: Wir drängen die Jüngsten in die falsche Richtung. „Beobachten Sie Kinder. Wir ziehen ihnen Socken und Schuhe an, sie ziehen sie sich sofort wieder aus“, so Dorn. „Das führt dazu, dass sogar schon die ganz Kleinen es ekelig finden, barfuß zu laufen – eine Entwicklung, die uns allen zu denken geben sollte.“

Barfußgehen im Wald
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Barfußschuhe als Businesserfolg

Auch Anna Yona, Gründerin der Minimalschuh-Marke Wildling Shoes, hat sich dem Barfußgehen verschrieben. Sie und ihr Mann, ein Sporttherapeut, lebten mit ihren drei Kindern lange Zeit in Israel. „Sie sind dort quasi barfuß aufgewachsen. Im Vergleich zu anderen Kids in ihrem Alter hatten sie immer weitaus mehr Sicherheit und Vertrauen in ihre körperlichen Fähigkeiten.“ 2013 zog die Familie nach Deutschland: „Allein wetterbedingt wares dann nicht mehr möglich, ständig unten ohne herumzulaufen.“ Ein ordentliches Schuhwerk musste also her. Einziges Problem: „Die meisten Schuhe sind so konzipiert, dass sie extra stabil und fest sind, um uns zu stützen und zu stärken. Dabei ist das absoluter Blödsinn aus sportmedizinischer Sicht.“ Daher entwarfen Anna und ihr Mann selbst einen Schuh. Die erste Kollektion finanzierte das Paar 2015 mittels einer Crowdfunding-Kampagne. Heute managen sie ein Unternehmen mit 210 Mitarbeiter:innen und verkaufen pro Jahr mehr als eine halbe Million Barfußschuhe. Der Beweis: Die Supersohlen sind längst nicht mehr nur was für die aus der „Öko-Szene“.

4 FAKTEN über unsere Füße

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Man spürt die Welt intensiver

Dorn ist überzeugt: „Die Barfußschuhe sind eine super Alternative, wenn man nicht mit nackten Füßen gehen kann.“ Wenn’s aber geht, am besten immer unten ohne. Die Ärztin und ihre Familie gehen sogar barfuß wandern. Auch im Winter verzichtet sie regelmäßig auf Schuhe. „Man muss ja keine drei Stunden barfuß laufen. Wichtig ist nur, dass man nicht friert und in Bewegung bleibt. Dann härtet es sogar ab und macht unser Immunsystem resistenter.“

Auch die Bedenken, dass man vom vielen Barfußlaufen Hornhaut züchtet, kann sie aus eigener Erfahrung widerlegen: „Anfangs wird sie mehr, wenn man aber dranbleibt, geht sie komplett weg.“ Fest steht für sie jedenfalls: „Wir haben es noch nie mal besser gemacht als die Natur. Wir behandeln unseren Fuß wie einen Huf, aber er ist ein Sinnesorgan.“ Wer viel barfuß läuft, spürt die Welt intensiver. Und nimmt das, was um einen herum passiert, bewusster wahr. „Man gibt acht darauf, wohin man steigt, und denkt nicht an gestern oder morgen.“ Mehr noch: „Negative Elektronen werden über die Sohlen vom Boden aufgenommen. Diese bewirken, dass unser Körper leichter und besser regeneriert. Viele Spitzensportler schwören darauf “, weiß die Expertin.

Barfußgehen: Raus aus den Schuhen
© Jakob Lund, Pexels/Oliur Rahman

Daher lautet ihr Appell: „Raus aus den Schuhen! Ich verstehe zum Beispiel nicht, warum im Turnunterricht noch immer verlangt wird, Schuhe zu tragen. Die Kinder sollen barfuß oder in Socken turnen. Wir sparen den Eltern das Geld und der Umwelt die Plastikschuhe.“ Insgesamt empfiehlt Dorn, wenn
möglich, täglich eine halbe Stunde Barfußlaufen im Freien. „Wenn man sich außerdem immer wieder bewusst auf ein Bein stellt, hilft das, Füße und Rückenmuskulatur zu stärken.“

Text: Leonie Unger

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